Gestern bin ich mal wieder raus gegangen. Das klingt ein wenig, als säße ich im Knast. Was nicht der Fall ist. Doch gewisse Ähnlichkeiten unterstelle ich der aktuellen Situation. Ich habe gemerkt, dass ich keine Routine mehr habe fürs Rausgehen. Wo ist eigentlich der Hausschlüssel? Der Autoschlüssel? Der Geldbeutel? Hat das Auto eigentlich noch genug Sprit? Und wo ist eigentlich der Tankstutzen?


Ich wollte lediglich etwas zu essen holen. Und ich musste über mich selbst schmunzeln, wie sehr mich die Homeoffice-Zeit im Griff hat. Die Tage haben eine gewisse Gleichförmigkeit. Wobei wir auf dem Land leben und ich einen traumhaften Ausblick aus dem heimischen Büro genießen kann. Allein das hilft schon, die Zeit im Homeoffice besser zu überstehen. Außerdem kann ich raus in die Natur. Die ist direkt hinter unserer Haustüre. Damit lebe ich im Land der Glückseligen, was Homeoffice betrifft.

Was aber hilft gegen den Homeoffice-Blues, wenn die Voraussetzungen nicht so gut sind? Dreieinhalb Ideen, die mir in den vergangenen Monaten in den Sinn gekommen sind:

Bewegung tut gut: Telefonspaziergang

Da sind sich viele einig: ein paar Schritte durch die Gegend zu spazieren tut gut. Doch wie mache ich das während der Arbeitszeit? Ich könnte die nächste Rücksprache als Spaziergang einplanen und währenddessen mit der Kollegin telefonieren. Das verändert dazu noch die Perspektive und bringt vielleicht sogar frische Gedanken mit sich und bringt noch mehr in Bewegung. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Insgesamt halte ich es für wichtig, mehr zu telefonieren, weniger Mails zu schicken. Das reduziert Missverständnisse und schafft mehr Bindung unter Mitstreitern. Dazu noch lassen sich einige Sachverhalte so einfacher klären und E-Mail-Ping-Pong vermeiden.
Diese Beobachtung verdanke ich älteren Kollegen, für die es viel natürlicher, viel gewohnter ist, anzurufen, anstatt Mails zu schicken. Dabei ist mir aufgefallen, dass die ihre Dinge schneller erledigt, zügiger vom Tisch bekommen. Wer mailt, muss viel mehr aufpassen, dass kein Vorgang untergeht. Das ist anstrengend.

Vor-Konferenz-Kaffeeplausch und virtueller Mittagstisch

Ich habe den Eindruck, dass es gerade Kleinigkeiten sind, die einen Unterschied machen, wie es uns im Homeoffice geht. Uns allen fehlt der kurze, spontane Tratsch an der Kaffeemaschine oder vor Beginn einer Sitzung, wenn wir schon im Raum sind. Warum also nicht den virtuellen Raum vorab öffnen und die Kollegen einladen, mit einer Tasse Tee schon ein paar Minuten früher dazuzustoßen? Einfach so. Mal schauen, was passiert.

„Wollen wir heute gemeinsam Mittagspause machen und uns Pizza holen?“

Das gleiche gilt am Ende der Besprechung. Warum nicht auch hier den Konferenzraum geöffnet lassen für einen kurzen Plausch? Vielleicht sogar mit vorab eingerichteten Breakout-Räumen, falls jemand noch kurz separat etwas abklären will.

Das ersetzt nicht die Zufälligkeit des Alltags. Doch es gibt den Raum, dass wir näher beieinander sind. Da wir soziale Wesen sind, halte ich es für besonders wichtig, unseren Beziehungen Raum zu geben.

„Wollen wir heute gemeinsam Mittagspause machen und uns Pizza holen?“ Konferenztechnik kann ich auch für privatere Anlässe nutzen. Warum nicht eine gemeinsame Mittagspause machen und sich etwas vom Italiener kommen lassen? Kein Mensch sagt, dass unsere Pizza vom selben Italiener sein muss.

Wie im „normalen“ Büroleben braucht es nur die eine Person, die den Anstoß gibt. Tools wie wonder.me bieten dazu noch eine andere Gesprächsatmosphäre als die üblichen Online-Konferenz-Werkzeuge, weil spontane Gespräche in kleineren Gruppen möglich sind. So können wir uns sogar mit der Person am anderen Ende des Tischs unterhalten, wo wir am echten Tisch laut brüllen müssten, um uns zu verständigen.

Bücherkette

Das Homeoffice verleitet dazu, ständig zu arbeiten. Die Arbeit ist schlicht so nah. Da tut Ablenkung gut.

„Also lasst uns doch den Kollegen Bücher schicken, die wir schon gelesen haben!“ Das zwingt zur Auseinandersetzung mit den Kolleg:inn:en: Was könnte wem gefallen? So viele gute gelesene Bücher verstauben in den Regalen. Sie könnten jemand anderem einen schönen Moment schaffen. Dazu noch gibt es beim nächsten Telefonat einen Gesprächsanlass, der über das rein Berufliche hinaus geht.

Starten würde ich mit dem Kollegen, der Kollegin, die ich am wenigsten kenne. Vielleicht sogar als Überraschung und mit einer Einladungskarte, es mir gleich zu tun. Damit daraus eine Bücherkette wird und vielleicht über die Zeit sogar ein kleiner Buchclub.

Ob „physical“ oder „social distance“ ist unsere Entscheidung

Nur weil wir physisch zu Distanz gezwungen sind, müssen wir nicht gleichzeitig sozial auf Distanz gehen. Aus meiner Sicht arbeiten wir eh zu viel vor dem Rechner, denken zu wenig, sprechen zu wenig miteinander. Gerade jetzt, in einer Zeit, in der wir neue Muster brauchen, ist das Gespräch in vielen Fällen die besser Alternative. Das gilt sowohl in der Sache, wie auch in unseren Beziehungen.

Am Ende ist es unsere Entscheidung, ob aus der körperlichen Isolation auch eine soziale wird. Es ist leicht, ein paar Minuten mehr Zeit zu investieren, um noch ein bisschen zu plaudern. Wir werden im Gegenzug mit mehr Energie belohnt. Probieren Sie es aus!

Ihr
Holger Zimmermann
aus dem Homeoffice