Das Team war zu motiviert und herausragende Qualität ein selbstverständlicher Anspruch im ganzen Unternehmen. Dadurch wurde das Projekt unnötig teuer. Ich hatte mir eine Strichliste gemacht bei diesem Online-Jour-Fixe: ingesamt 14 Mal hätten wir Funktionen umgesetzt, die bei genauerer Betrachtung gar nicht nötig waren. 14 Mal hatte uns eine simple Frage davor bewahrt, unnötig Geld auszugeben: „Wie relevant ist das für unsere Zielerreichung?“

Eines der Aufgabenpakete hätten wir sogar schon komplett abschließen können, denn das bisherige Ergebnis erfüllte alles, was die ursprüngliche User Story an Kriterien mit sich brachte. Das wurde erst bewusst, als die Frage nach der Relevanz gestellt worden war.

Wer die Anforderungen im Projekt im Griff hat, hat die Projektkosten im Griff. Das gilt im Großen wie im Detail.

Ich nenne das “schleichende Anforderungsexplosion“, was passiert, wenn niemand darüber wacht, was als Aufgabe im Projektplan oder einer Aufgabenliste landet. Damit meine ich nicht nur die großen Anforderungen, die Epics, die User Stories. In vielen kleinen Einzeldiskussionen kommen neue Details hinzu, die erledigt werden wollen, ohne dass das auffällt. Diese vielen kleinen Dinge summieren sich. Das beobachte ich selbst bei Teams, die mit einem Product Owner und nach Scrum arbeiten. Dabei sind gerade Scrum und die Backlog-Systematik in der Produktentwicklung wirklich gut aufgestellt, um ausufernde Anforderungen über eine systematische Priorisierung in den Griff zu bekommen.

„Wenn es etwas zu tun gibt, dann tun wir das!“ Gerade bei motivierten Teams erlebe ich diese Einstellung häufig. Das, am besten noch in Kombination mit einem hohen Qualitätsanspruch, führt in der Praxis zu einem teuren Automatismus. Unbemerkt packen Teams mit einem solchen Wertegerüst auch Aufgaben an, die gar nicht angepackt werden müssten. Gerade unsere an anderer Stelle so nützlichen Wertvorstellungen machen uns da einen Strich durch die Rechnung.

In jedem dieser Fälle erscheint die Erledigung der einzelnen Aufgabe für sich betrachtet nur logisch und sinnvoll. So war es auch bei diesem Jour Fixe. Jeder Anmerkung war schlüssig, die sich daraus ergebenden Aufgaben erschienen jedes Mal nur logisch. Erst als die Frage nach der Relevanz für die Projektziele, für den erwarteten Nutzen, im Raum war, wurde klar, dass das nicht zutraf. Andere Dinge waren im Vergleich bedeutsamer für die Zielerreichung. Erst in der Gegenüberstellung aller Anforderungen können wir die herausarbeiten, die für die Zielerreichung wirklich relevant sind. Schließlich macht es Sinn, die begrenzte Kapazität ausschließlich den Anforderungen zu widmen, die im Vergleich großen Nutzen stiften.

Damit das im Projekt-Alltag gelingt, braucht es mindestens einen Vertreter im Projektteam, der über die schleichende Anforderungsexplosion wacht. Diese Person senkt allein dadurch die Projektkosten, da sie immer wieder die Frage stellt, inwieweit etwas, das vermeintlich noch erledigt werden muss, tatsächlich relevant ist für die Zielerreichung.

Wer die Anforderungen im Projekt im Griff hat, hat die Projektkosten im Griff. Das gilt im Großen wie im Detail.

Ihr
Holger Zimmermann
Inhaber & Geschäftsführer Projektmensch